Mittwoch, April 23, 2008

Vergangenheit


Zum Thema Geschichte und Gegenwart faellt mir ein, dass auch ich in naher Zukunft (verglichen mit der jahrtausenden alten Geschichte) der Vergangenheit angehoeren werde.

Was auch noch ziemlich sicher ist: all die U-Bahn Schaechte in Shanghai und die vielen Hochhaeuser werden hoechstwahrscheinlich in ein paar hundert Jahren verschwunden sein. Doch was gibt es dann stattdessen? Eine interessante Frage.: wie werden all diese Tunnel und Hochhaeuser verschwinden und wann? Passiert es vor oder nach meiner Zeit? Gut, dass ich keine Kinder habe. So muss ich mir keine Sorgen um die Zukunft meiner Kinder machen. Es wuerde mir die letzten Nerven rauben. Ohne Kinder kann man derartigen Veraenderungen relativ gelassen entgegenschauen. Die Frage reduziert sich dann auf: Wer oder was verschwindet zuerst: ich oder die Hochhaeuser?

Wie dem auch sei: allmaehlich fange ich an zu glauben, dass die meisten Menschen am Anfang unglueckliche Kinder waren. Die sogenannte “glueckliche Kindheit” bleibt nur wenigen auserwaehlten Spezialmenschen vorbehalten. In China sind die Kinder auch nicht gluecklicher als bei uns. Zumindest, wenn sie Kinder reicher Eltern sind. Ein Beispiel: der einjaehrige Sohn meiner sehr netten Nachbarn wurde vorallem von seiner Amme gepflegt. Doch nach einem Jahr entliessen die Eltern diese Amme. Kurz darauf beschloss dann auch noch seine Mutter alleine fuer mehrere Monate ins Ausland zu gehen und das Kind der Grossmutter zu ueberlassen. Der kleine Bub reagiert mit tiefer Trauer. Wenn man in sein Gesicht sieht, moechte man am liebsten weinen. Da gibt es (zumindest zur Zeit) keine Freude mehr. Der Sohn meiner Nachbarn ist kein Einzelfall. Die meisten wohlhabenden Kinder werden hier von Haushaelterinnen und Ammen grossgezogen. Leider gibt es viele Eltern, die oft diese Haushaelterinnen wechseln, was dann fuer die Kinder eine Katastrophe bedeuten kann. Die weniger wohlhabenden Kinder wachsen meistens bei den Grosseltern auf, was ja zumindest den Vorteil hat, dass Grosseltern nicht so einfach ausgetauscht werden koennen.

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Mittwoch, April 02, 2008

Kulturunterschiede Nr.1


Meine Stimme ist weg. Ich habe keine Stimme mehr und muss stumm wie ein Fisch zuhoeren, waehrend andere reden. Das ist nicht ganz einfach fuer mich.

Nachdem man mir heute schon etwa 50 mal gesagt hat, dass ich erkaeltet bin und mich unbedingt warm anziehen soll, ausserdem ins
Krankenhaus gehen, Medizin essen und mich schonen, habe ich beschlossen den Rest des Tages auf meinem Zimmer zu verbringen.
Unterrichten kann ich heute sowieso nicht und auf all die vielen Anweisungen und Fragen zu meinem Gesundheitszustand kann ich auch
nicht antworten. Kein Ton will raus aus meinem Mund.

So habe ich mal wieder Zeit meinen Blog weiterzuschreiben.

Letzte Woche gab es an der deutschen Schule eine Diskussion ueber
chinesisch – deutsche Kulturunterschiede. Die Ueberschrift: "warum
sind wir uns so fremd" , hat mich eigentlich eher abgeschreckt, aber
schliesslich bin ich doch hingegangen.

Von dieser Diskussion angeregt, habe ich beschlossen, mir in Zukunft
mehr Notizen zu machen, auch wenn meine Erlebnisse vielleicht nicht
unbedingt etwas mit "chinesisch-deutschen Kulturunterschieden" zu tun
haben. Aber es sind Erlebnisse, die ich in China habe und insofern
gehoeren sie auch zum Thema.

Hier meine erste Notiz:

Ich sitze in einem Café, um mich von meinen Einkaeufen zu erholen.
Vor mir liegt mein elektronisches Lexikon und die chinesische `Global
Times`, eine Zeitung, die ich mir davor an einem Kiosk gekauft habe.
Als die Kellnerin den Kaffee bringt, lege ich die Zeitung einen
Augenblick beiseite, um erstmal einen tiefen Schluck aus meiner Tasse
zu geniessen. Sofort kommt vom Tisch schraeg gegenueber ein Mann zu
mir und bittet mich, sich meine Zeitung nehmen zu duerfen.
Wohlbemerkt: dieser Mann ist kein Penner und sitzt mit einer Dame
zusammen in einem nicht ganz billigen Café. Ich bin ueberrascht, gebe
ihm aber einen Teil meiner Zeitung mit der Bemerkung, dass ich den anderen Teil selbst noch nicht gelesen habe. Er akzeptiert das, geht zurueck an seinen Tisch und widmet sich vor
den Augen seiner Dame der Zeitung. Die Dame trinkt gelangweilt ihren
Kaffee. Nach einiger Zeit gibt er mir die Zeitung mit Dank zurueck
und verlaesst mit der Dame das Café.

Was daran ist nun typisch chinesisch? Ich sehe das so: typisch
chinesisch ist vorallem die Tatsache, dass der Mann im Beisein einer
Dame die Zeitung liest, anstatt sich mit der Frau zu unterhalten. Mir
ist sowas in Begleitung meines (chinesischen) Mannes auch schon
passiert. Am Anfang hat mich das beleidigt, doch inzwischen versuche
ich, mir auch etwas Lesbares zu organisieren und sehe darin eine
Moeglichkeit zur Entspannung. Man muss ja gar nicht soviel bereden.
Aber ist das nun wirklich typisch chinesisch oder war es Zufall, dass
ich in Deutschland noch nie so etwas erlebt habe?

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