Sonntag, November 30, 2008

Polnisches Tanztheater:"Jesien-Nuembir"(Choreografie:Jacek Przybylowicz) und "Wiosna-Effatha"(Choreografie:Ewa Wycichowska)

Es ist erstaunlich wieviele kostenlose Kulturveranstaltungen es in Deutschland gibt. Am Freitagabend in der Heiligen Kreuzkirche in Berlin am Mehringdamm, konnte ich das posener Ballett mit einem modernen Tanztheater erleben. Und in der Pause sogar kostenlos Rotwein trinken. Das Ganze war eine Veranstaltung im Rahmen der Deutsch-Polnischen Begegnungen, zu denen wahrscheinlich auch das Konzert zu Pendereckis 75ten Geburtstag gehoerte.

Vor der Pause wurde das Stück namens "Frühling" (Jacek Przybytowicz) getanzt und im zweiten Teil nach der Pause das Stück "Herbst"(Ewa Wycichowska). Während ich bei dem "Frühling" sofort erkennen konnte, warum dieses Stück den Namen Frühling trug, war es bei dem "Herbst" nicht so einfach. Also fragte ich die Choreografin (Ewa Wycichowska), die mir das freundlich erklärte. Die Tänzer im "Frühling" waren in Weiss gekleidet und spielten den schmelzenden Schnee. Physikalisch war das eine relativ klare Aussage, doch auf der psychischen Ebene passierte etwas, was mich dann doch verdutzte: Eine junge Frau erfuhr von ihrem Liebhaber Gewalt. Ein nicht sehr optimistischer Frühling. Im Gegensatz dazu dann das fröhliche Kinderlachen, das vom Band gespielt wurde.
Der Herbst ist nicht etwa ein deutscher oder europäischer Herbst, sondern bezieht sich auf einen kulturellen Brauch in Marokko, was man auch an der Musik hören konnte. Die Berber sind ein nomadisches Volk. Jedes Jahr müssen die jungen Frauen versuchen einen Mann zu finden. Wer bis Herbst keinen gefunden hat, wird aus der Gesellschaft ausgestossen und muss weiterwandern. So tanzten fünf Frauen und nur drei Männer. Zwei der fünf Frauen blieben zum Schluß ohne Mann.
Die Kleidung der Tänzer war im Millitary Look und ich habe den Bezug zu Marokko und den Berbern bis jetzt nicht erkannt. Leider konnte mir auch die Choreographin nicht weiterhelfen, denn wir hatten sprachliche Probleme. Sie sprach weder English noch Deutsch und ich spreche leider nicht polnisch.

Was die tänzerischen Aspekte anbetrifft war ich von diesem posener Ballett etwas enttäuscht. Viele Bewegungen und Movements wirkten von den Tänzern nicht wirklich von innen heraus getanzt, sondern ich glaubte zu sehen, daß alles mühsam angelernt war und sich die Tänzer mit ihren Bewegungen noch nicht so richtig wohlfühlten. Ich konnte ausserdem Bewegungsabfolgen wiedererkennen, die ich schon bei Jin Xing´s Choreographien gesehen hatte. Nur, daß die polnischen Tänzer lange nicht so gefühlvoll tanzten, wie die Chinesischen. Beim Contemporary Dance ist es manchmal so, dass derartige "Zitate" und auch so eine Unsicherheit bei den Tänzern beabsichtigt sind. In diesem Fall glaube ich das aber eher nicht. Ich hatte das Gefühl, dass sich hier Choreographen mit wenig eigenen Bewegungs-Ideen bemüht haben avandgardistisch wirkenden Tanz zu produzieren. Da hilft dann so eine eigentlich spannende Story-Idee auch nicht.
Aber wie gesagt: das ist nur meine persönliche Meinung.

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Freitag, November 28, 2008

Blog Award: die Party

nachdem ich in Berlin bin und sich mein Blog unter den elf für den Blogaward des besten deutschsprachigen Blogs nominierten Blogs befindet, wollte ich mir die Preisverkündung und Blog-Party natürlich nicht entgehen lassen. Das Atrium des Museums für Kommunikation war in blaues Licht getaucht und ein DJ bediente die Stereoanlage mit Sourround System. Überall sah man Menschen mit Kameras und in Anzug mit Kravatte geklemmte Karriere Typen. Sekt wurde ausgeschenkt und nach der dramatischen Preisverkündigung in fast akzentfreiem English, gabs sogar noch ein kleines Buffet und ausgezeichneten Wein. Dank den edlen Sponsoren!
Den Sieger für den Award des besten deutschsprachigen Blogs hat die Kaltmamselle persöhnlich ausgewählt. Sie entschied sich für "die Mädechenmanschaft", einen Blog über Feminissmus in Deutschland, geschrieben von fünf Frauen. Wer nun ist die Kaltmamselle? Die Kaltmamselle ist die Herausgeberin von der "Vorspeisenpalette", lest am besten selbst, es macht Spaß.
Auf den Fotos könnt Ihr sehen:
1.:das wunderbare blaue Licht




2.:die internationale Jury nach der Siegerehrung.



3.: mich beim Weintrinken

Mittwoch, November 26, 2008

Zwei Kommentare von Thea Herzig

ich möchte hier darauf aufmerksam machen, dass es zwei lange und interessante Kommentare von Thea Herzig gibt: einer zum Artikel "die biologischen Grenzen der Frau" und einer zum Artikel "Hobbykunst". Vielen Dank für diese konstruktiven Diskussinsbeiträge!

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Sonnenstudios und Regenschirme



während ich mich zu Beginn meines Berlin Aufenthaltes noch über die vielen Sonnenstudios gewundert habe, verstehe ich inzwischen, warum es davon so viele gibt. (In Shanghai habe ich noch keines gesehen). Und Regenschirme kann man in Berlin fast so billig kaufen wie in Shanghai. ...Auf dem Foto ist übrigens kein Sonnenstudio abgelichtet, sondern blauer Himmel. Deswegen hat es meiner Meinung nach Seltenheitswert und ist besonders sehenswürdig.

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Dienstag, November 25, 2008

Pech gehabt

Nun bin ich schon seid drei Tagen erkältet und darf nicht zu meinem Bruder ins Krankenhaus. Sieht fast so aus, als ob ich umsonst in Berlin geblieben bin. Das Wetter hier ist einfach ungemütlich und anstrengend. Wer mich jetzt eine miesepetrige Jammerkatze nennen möchte, soll den Mund halten. Ich bin nunmal so. Heute bin ich total frustriert bis elf Uhr im Bett geblieben und danach zum Frühstück in eine Kneipe marschiert, in der schon am hellichten Tag Bier getrunken und Karten gespielt wird. Hier ist es wenigstens warm und der Kaffee schmeckt lecker. Ausser Kaffee habe ich mir noch eine Rinderleber mit Zwiebeln, Kartoffelbrei und Gurkensalat bestellt. Während in deutschen Restaurants die Getränke immer zu klein sind, sind die Essen meistens riesengroß. Ich schaffe noch nicht einmal die Hälfte. Ich fasse mir ein Herz und bitte darum, den Rest mit nach Hause nehmen zu dürfen. Das ist hier offensichtlich ungewöhnlich, die Bedienung zögert zuerst, doch dann bemüht sie sich, ein passendes Gefäß zu finden. (Da in Shanghai fast alle Menschen die Überreste ihres Restaurantessens mit nach Hause nehmen, gibt es dort proffessionelle, mikrowellenfeste Verpackung. Diese Verpackung kostet seid neuestem Geld, so daß wir sie mehrfach benutzen und jedesmal wenn wir ein Restaurant besuchen, die alten Schalen von zu Hause mitbringen). Alle meine Freunde behaupten, Berlin wäre sehenswürdig und überhäufen mich mit gutgemeinten Sightseeing Ideen. Doch ich will eigentlich nur meinen Bruder besuchen, was jetzt nicht geht. Also verbringe ich meine Zeit in Kneipen, Internetcafees und auch Ballett Studios...Nachmittags um vierzehn Uhr fahren die Autos schon mit Licht durch die Straßen....schluchz

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Pendereckis 75zigster Geburtstag

Auch wenn mir Berlin, was Technik, Internetcafes und U-Bahn System betrifft, vorkommt wie Chinas tiefste Provinz, so hat es doch in kultureller Sicht eine Menge zu bieten. Gestern konnte ich kostenlos ein Konzert zu Ehren Pendereckis geniessen, der seinen 75zigsten Geburtstag feierte. Leider bin ich inzwischen etwas erkältet und habe es nicht geschafft vor Konzertbeginn noch einen Kaffee zu trinken. Doch in der Pause habe ich das grosszügig nachgeholt und konnte dann das Sextett fuer: Klavier, Klarinette, Horn, Cello, Bratsche und Geige bei vollem Bewusstsein hören. Die Kompositionstechnik Pendereckis ist ziemlich speziell. So liebt es Penderecki Melodien mit Quarten, kleinen Sexten und Halbtönen zu bilden und die Instrumente auf dem gleichen Ton einsetzen zu lassen. Ein Ton wird von einem anderen Instrument übernommen und motivisch weiterentwickelt. Wie auch Ligetti und andere moderne Komponisten arbeitet er ausserdem mit Klangflächen, die durch verschiedene Tempi, Tonhöhen, Klangdichten und Rhythmen strukturiert werden.

Auch in diesem Konzert wurde moderiert, aber nicht von den Musikern selber, sondern von einem Moderator der polnischen Botschaft.

In Berlin sind um diese Jahreszeit die Tage sehr kurz und ich habe, seitdem ich hier bin, keine Gelegenheit gehabt in der Sonne zu sitzen. Das Wetter ist ausserdem kalt und dunkel. Deswegen bin ich froh, dass ich normalerweise in Shanghai leben kann.

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Sonntag, November 23, 2008

Heike Matthiesen und Martin Peake in der Schwartzschen Villa

Mein Berlin Aufenthalt wird sich um eine Woche verlängern und auch wenn der Anlaß für diesen Besuch nicht schön ist, so beginnt doch meine unfreiwillige Reise allmählich spannend zu werden.

Zufällig hat eine Freundin und Kollegin, die ich vor einiger Zeit im Internet kennengelernt habe und die auch schon in Shanghai gespielt hat, gestern in Steglitz in der Schwartzschen Villa zusammen mit dem Flamenco Gitarristen Martin Peake ein Gitarrenkonzert gegeben.

Die hübschen Flamencostücke und der sympathische, eigenbrödlerische Martin Peake haben mich erwärmt und Heike hat auch sehr gut gespielt. Das Asturias von Isaac Albeniz hat sie in einer eleganten Bearbeitung von Pepe Romero gespielt. So klingt es für meine Ohren attraktiver als die allgemein bekannte Fassung. Mir gefällt es, daß Heike vor jedem Stück kurz ein paar Hintergrundinformationen gibt. Das fördert wahrscheinlich die Konzentrationsfähigkeit im Publikum. Heike hat den Mut teilweise sehr bekannte Stücke zu interpretieren. Ich bin froh, daß ich gestern die Gelegenheit hatte dieses schöne Konzert zu hören.



Berlin ist eine gute Erfahrung für mich. Ich begegne hier vorallem freundlichen und hilfsbereiten Menschen. So hat mir zum Beispiel eine Frau, die manchmal in dem Hotel an der Rezeption sitzt, eine Gitarre ausgeliehen. Deswegen kann ich nun immer wieder etwas üben, was mir sehr wichtig ist. Ein anderer Mann an der Rezeption hat mir einen Wasserkocher auf unser Zimmer gegeben, so daß wir (meine Mutter und ich) uns selber Tee machen können. Das hilft gesund zu bleiben.
Überhaupt ist das Hanse City Hotel in der Jenaer Straße ein extrem gutes Hotel. Die Preise sind relativ günstig, aber der Service ist ausgezeichnet und das Personal sehr freundlich und hilfsbereit. Unser Zimmer ist groß und gemütlich eingerichtet und die Dusche hat einen wunderbar kräftigen Strahl, so richtig zum relaxen. Der Service im Hanse City Hotel ist genauso gut wie in China. Trotzdem bekomme ich allmählich Heimweh und freue mich, wenn hier alles wieder so einigermaßen funktioniert und ich nach Hause fliegen kann.

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Internetcafes ohne Internetanschluss

yeah. Nach einer Odyssee durch Berlin auf der Suche nach einem offenen Internet Cafe sitze ich nun doch wieder vor dem uralten Computer, der hier im Hotel kostenlos den Gästen zur Verfügung gestellt wird und zumindest fürs Notwendigste funktioniert. Die Fotos müssen dann eben nachgeliefert werden, denn USB Anschluss gibt es hier nicht.
Zuerst war ich in einem Internet Cafe am bayrischen Platz, dort wartete man verzweifelt auf den Techniker, denn schon seit gestern Abend funktioniert das Internet nicht mehr. In Deutschland ist es nicht so einfach am Wochenende Techniker zu finden. Also bin ich zum Kleistplatz gefahren, doch auch dort war das Internet Cafe geschlossen, warum stand nicht dabei. Und das am Samstagabend! Naja, Deutschland ist eben immer noch ein reiches Land, in dem wahrscheinlich die meisten Menschen sich einen Internetanschluss zu Hause leisten können. Da werden die Internet Cafes anscheinend nicht so dringend gebraucht wie in anderen Ländern. Ich fände es toll, wenn es in jeder Kneipe und jedem Cafe ein paar öffentliche Computer mit Internet Anschluss gäbe.

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Dienstag, November 18, 2008

Kultur und Gemuetlichkeit

die Frage ist, ob es sich bei meiner spontan gewaehlten Ueberschrift um eine direkte oder eine indirekte Proportionalitaet handelt. Was eigentlich hat Kultur mit Gemuetlichkeit zu tun und inwieweit foerdern sich Kultur und Gemuetlichkeit, bzw. schliessen sich gegenseitig aus? Was ist eigentlich Kultur und was Gemuetlichkeit? Beides sind relativ subjektiv veraenderbare Groessen, wobei "Gemuetlichkeit" bestimmt noch mehr subjektiv beurteilt werden wird als Kultur.

Seitdem ich vor neun Jahren nach Shanghai umgezogen bin, hat sich im kulturellen Bereich eine Menge getan. So gibt es inzwischen ein neues, modernstes Konzert Zentrum in Pudong, das "Dong Fang Yi Shu Zhong Xin". Noch nie in meinem Leben davor konnte ich Musik in einem Saal mit derartig guter Akkustik geniessen und das, obwohl ich schon relativ viel in Konzerte gegangen bin. Auch das allgemeine Angebot an Tanz, Theater und Musik Vorstellungen hat sich rasant vergroessert und ist viel moderner, niveauvoller und internationaler geworden. Wer will kann inzwischen - genau wie in deutschen Grossstaedten - taeglich zwischen vielen interessanten Veranstaltungen auswaehlen. Neue Kultur Center entstehen wie zum Beispiel das Ke Point und Maler richten sich zur Strasse offene Ateliers ein. Die Fotos zeigen ein Atelier in der Shanxi Nan Road.
Ist aber Shanghai auch gemuetlicher geworden? Ich wuerde sagen N E I N. Im Gegenteil: Die kleinen schuckeligen Suppenrestaurants verschwinden genau wie die auf der Strasse im Schlafanzug kartenspielenden alten Leute. Stattdessen vermehren sich die teuren, internationalen Restaurants und Cafes mit schickem Design. Die kartenspielende Bevoelkerung und die im Park turnenden und singenden Menschen mutieren zur angegafften Tourissmus Attraktion. Ich finde das schade.

Berlin im Vergleich. Fuer mich noch nicht beurteilbar, denn ich kenne Berlin nur besuchsweise. Deutsche Staedte waren glaub ich noch nie gemuetlich. Aber auffallend ist die penetrante Anwesenheit von Baeckereien und Cafes. Waehrend in Shanghai alle paar Meter ein Obstladen zu finden ist, gibt es in Berlin Baeckerein in jeder Strasse. Ich glaube kaum, dass es Berliner gibt, die laenger als drei Minuten von ihrer Wohnung zum Baecker laufen muessen.

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Montag, November 17, 2008

Wieder mit im Komitee

Heute habe ich erfahren, dass ich wieder mit in das politische Komitee unseres Wohnviertels gewählt worden bin. Ich freue mich sehr darüber, da ich mich gerne einmische und engagiere und so eine neue Chance bekomme positive Dinge zu machen. Ausserdem bin ich als Einzige von allen ehemaligen Mitgliedern wiedergewählt worden und zwar bereits zum immerhin drittenmal! Ich fühle mich sehr geehrt und hoffe, dass ich den Ansprüchen meiner Wähler auch gerecht werden kann. Es gibt eine Menge zu tun.

Ansonsten geht es mir leider schlecht, denn im Krankenhaus geht es nicht so gut.

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Samstag, November 15, 2008

frueh morgens

schon seit etwa fünf Uhr morgens sitze ich am öffentlichen Computer des Hotels, schreibe Mails, lese Nachrichten. Ein uralter Langsam - Computer, der viele Seiten nicht vollständig öffnen kann, dafür kostenlos Tag und Nacht benutzbar. Gestern in Berlin angekommen, bin ich nach einer Mini Pause im Hotel sofort ins Krankenhaus gefahren. Es geht schon wieder etwas besser, ich fühle mich erleichtert. Aber hier ist nicht der richtige Platz, um allzu detailiert über meine Familie zu berichten. Die würden das nicht wollen und sich nur über mich ärgern, denn sie würden sich in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen und das muss ich respektieren. Wer hat schon Lust darauf, seine Krankengeschichte im Internet nachzulesen? Ich auch nicht!!!

Inzwischen sind die ersten Frühstücksgäste gekommen und wieder gegangen. Sie haben sich, verteilt über zwei Tische, laut auf Serbisch unterhalten. Die Sprache höre ich in Shanghai nur selten. Überhaupt: je länger ich in Shanghai lebe, desto mehr Dinge empfinde ich in Deutschland als aufällig und eigenartig, während mir meine Umgebung in Shanghai inzwischen so vertraut ist, dass ich teilweise erst durch Bemerkungen anderer Ausländer einige Besonderheiten wahrnehme.

Deswegen muss ich mir ein wenig Zeit nehmen und über Eigenarten in Berlin erzählen. Ihr, die Ihr hier wohnt, werdet diese von mir als interessant empfundenen Besonderheiten wahrscheinlich kaum noch bemerken.

Erstes Thema: irrsinnig komplizierte Fahrkartenkauferei in der U-Bahn!
gestern wollte ich mir ein 72 Stunden Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel kaufen. Doch an der U-Bahn Haltestelle, wo ich eingestiegen bin, gab es keinen Fahrkartenschalter. Nur einen Fahrkarten Automaten konnte ich finden, bei dem man aber nur mit Karte oder mit Münzen zahlen konnte. Ich wollte aber mit Scheinen zahlen. Also musste ich erst eine Station "schwarz" fahren, um zu einer U-Bahn Haltestelle mit menschlich vorhandenem Fahrkarten Service zu gelangen. Dass man in Deutschland überhaupt schwarz fahren kann und , wenn man erwischt wird, auch noch Strafe zahlen muss, finde ich unglaublich. In Shanghai hindern einen die Gates am Schwarzfahren. Sollte man es trotzdem tun oder zum Beispiel zu wenig bezahlen, bzw zu weit fahren, wird man beim Aussteigen abgefangen und muss den Restbetrag - ohne Strafe!- nachzahlen. Sehr, sehr arme Menschen (Bettler)werden auch ohne dass sie Nachzahlen, von den Kontrolleuren durchgelassen. Das Fahrkartenkaufen ist in Shanghai im wahrsten Sinne des Wortes idiotensicher. Jeder Mensch, auch nicht chinesisch sprechende Ausländer können die passende Fahrkarte an jeder U-Bahn Haltestelle ohne sich auskennen zu müssen erwerben. Sollte doch mal jemand einen Fehler machen, wird das ohne Umstände beim Verlassen der U-Bahn korrigiert.

So, jetzt frühstücke ich erstmal..

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Donnerstag, November 13, 2008

Unerwartetes Ereignis

Manchmal kommt alles anders als man denkt. Wegen einer schweren Erkrankung in meiner Familie muss ich sofort heute Abend nach Deutschland fliegen. Leider besitze ich keinen Leptop und weiss nicht, ob ich in den naechsten zwei Wochen Zeit finde ein Internet Kaffee aufzusuchen.

Ich werde aber ein paar Fotos mitnehmen, die ich eigentlich noch hier veroeffentlichen wollte. Vielleicht findet sich ja doch noch eine Gelegenheit.


Betrifft Blog Award:
Wer fuer meinen Blog voten moechte, kann das noch bis zu 26ten November machen. Einfach http://www.thebobs.com ansurfen, dort auf „cast your vote“ klicken, dann zu den „best German Weblogs“ scrollen und „kein illegales Tagebuch“ waehlen.

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Dienstag, November 11, 2008

Probleme meiner chinesischen Freundinnen

Es ist in China immer noch unglaublich wichtig fuer eine Frau sich „angemessen“ zu verheiraten. Und es ist hier viel schwieriger als in Deutschland, den passenden Partner zu finden. Das koennte daran liegen, dass die etwa dreissig jaherigen Menschen oft sehr von ihrer Familie unter Druck gesetzt werden. Es ist in dieser Generation noch nicht ueblich, einfach seinem Herzen zu gehorchen. Die Familie horcht mit. Angeblich passende Partner werden von Bekannten und Familie gegenseitig vorgestellt und Aspekte wie Beruf, Einkommen, Gesundheit usw offen gegeneinander abgewogen. Im Grunde handeln die heiratswilligen Menschen mit ihren Qualitaeten. Man achtet sehr darauf, sich nicht unter seinem eigenen Niveau zu vergeben. Und wenn eine Frau erstmal dreissig Jahre oder aelter ist, hat sie kaum noch Chancen einen „guten“ Mann zu finden.

Gestern gab es auf dem Heimweg nach der Ballett Klasse folgendes Gespraech:
Freundin A zur Freundin B: „diese Stoeckelschuhe schauen echt gut aus, nur finde ich, dass Du Dich insgesamt immer ein bischen zu altmodisch anziehst.“
Freundin B: „aber mein Freund mag keine modernen Sachen.“
Ich: „ Hey, hast du jetzt einen Freund? Gratuliere!“
Freundin B: „ Aber mein Freund ist ueberhaupt nicht huebsch. Der ist richtig haesslich.“
Ich: “macht doch nichts. Hauptsache er traegt sein Herz am richtigen Fleck..“
Freundin A: „ ja, und Du weißt doch selber, dass es keine perfekten Menschen gibt. Du kannst doch nicht erwarten, dass Dein Freund a) gut aussieht, und b) intelligent und begabt ist und c) auch noch beruflich erfolgreich .“
Freundin B, sehr deprimiert: „ Aber ich sage Euch: mein Freund ist wirklich nur gaaanz, gaaanz normal. Der schaut haesslich aus und ist auch nicht besonders talentiert oder erfolgreich.“
Freundin A zu mir: „ Julia siehst Du, wir haben alle eine Menge Probleme und sind oft sehr unzufrieden. Wir koennen normalerweise nur nicht darueber sprechen.“

Danach trennten sich unsere Wege. Ich denke, meine Freundin ist depremiert, nicht, weil ihr Freund nur „ein ganz normaler, durchschnittlicher Mensch“ ist, sondern weil sie ihn sich nicht selber herausgesucht hat. Er wurde ihr vorgestellt und sie wird unter Druck gesetzt, zuzustimmen, denn sie ist bereits dreissig Jahre alt und hatte bisher keinen Erfolg bei Maennern. Ohne Mann hat man ab diesem Alter kein leichtes Leben mehr in Shanghai. In der Arbeit wird man schikaniert und kann sich nicht weiterentwickeln, denn die Chefs geben lieber den ganz jungen Frauen eine Chance. Gerade diese Freundin B, hat sogar ihre Arbeit als Journalistin bei einer renommierten Zeitung verloren und das kann durchaus auch an diesem Problem liegen. Ich habe noch mehrere Freundinnen, die eigentlich sehr attraktiv und urspruenglich beruflich sehr erfolgreich waren, die aber aus verschiedenen Gruenden nicht rechtzeitig geheiratet haben und deswegen gesellschaftlich ins Abseits geraten sind.

Anscheinend ist die ganz junge Generation gluecklicher. Die unter 25 jaehrigen kuessen sich auf offener Strasse und schmusen in der U-Bahn. Ich sehe auch oft Liebespaare, die offensichtlich sehr verliebt sind, obwohl sie noch die Schuluniform tragen.

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Der Baecker ist weg

Sehr schade, aber verstaendlich. Weil es in unserem Stadtteil zu wenig Kunden gibt, die regelmaessig Brot kaufen, hat unser Baecker jetzt aufgegeben. Damit verschwindet auch das italienische Restaurant und ein guter Service. Dieser Baecker – der auch gleichzeitig italienisch gekocht hat und Naturjogurt selbst macht – hat alle seine Waren bei Bedarf kostenlos direkt nach Hause geliefert. Ein Anruf genuegte und ein paar Minuten spaeter konnten wir zu Hause Brot, Pizza, Kuchen oder auch frisches Naturjogurt geniessen. Das gibt es jetzt leider nicht mehr.

Aber immerhin bietet uns das Restaurant und die Baeckerei Pinocchio im Qingpu District an, zweimal pro Woche morgens frueh um sieben auf Bestellung frisches Brot zu liefern. Mittwoch und Samstag gibt es also weiterhin frisches Brot. Sollte jemand zu anderen Zeiten italienisches Essen oder Brot geliefert haben wollen, muss er 20 RMB (zwei Euro) Liefer Gebuehr bezahlen.



hier der bereits geraeumte kleine Laden. Sogar die Terasse, wo man draussen sitzen koennte und das huebsche "Emmas Laden" Schild sind schon abgebaut.

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Sonntag, November 09, 2008

Computerprobleme: heute muss ich mich einfach beklagen

Heute regnet es nicht und ich sollte mich freuen, doch stattdessen habe ich richtig Stress. Nachdem meine Ethernet Verbindung seit gestern nicht mehr funktioniert und ausserdem irgendjemand mit meiner email Adresse und meinem Namen Unfug treibt, habe ich heute morgen die Handwerker von der chinesischen Telekom gerufen. Die kamen auch schnell – obwohl es heute Sonntag ist! – haben dann aber festgestellt, dass nicht die Internetverbindung kaputt ist, sondern eine PC Karte in meinem Macintosh Computer.

Auf der Autobahn gab es diesmal keinen Stau und ich war schon nach etwa vierzig Minuten an der Xujiahui in der groessten Computer Shopping Mall, die ich in Shanghai kenne. Macintosh hat aber seit einigen Monaten seinen Service in China sehr zurueckgefahren. Man kann hier keine Mac-Membership mehr kaufen und auch der Support bei Reparaturen ist viel schlechter, als bei “normalen” Computern. Keiner kennt sich bei Macintosh aus. Meine PC Karte muss erst bestellt werden und das kann zwei bis drei Wochen dauern. Macht nichts, dachte ich mir, ich habe ja auch noch Airport….und habe mir gleich mal eine Air Port Station gekauft. Doch die scheint auch kaputt zu sein. …

Auf der Suche nach der passenden PC Karte und der Airport Station landete ich in einem Laden, der vorallem Ipod`s verkauft. Natuerlich original!! Die Ipods lagen in der ganzen, chromatischen Farbpalette aufgereiht unter der Glasscheibe des Schaukastens und deswegen war ich sehr erstaunt, als es nur drei verschiedene Farben zu kaufen gab. “Wieso, ihr habt hier doch alle Farben liegen!” ” Nein, das sind nur Schaustuecke, die duerfen wir nicht verkaufen! Nichteinmal wenn die kaput sind, duerfen wir sie verkaufen!“

Das Personal in den Apple Geschaeften wirkt auf mich sehr unerfahren. Und die wollen auch noch, dass ich ihnen den Computer ein bis zwei Wochen da lasse! S C H R E C K L I C H. Dabei gibt es auch gute Leute. Nur leider habe ich die noch nicht gefunden. Ich habe einen ganzen Tag in diesem Computer Zentrum verbracht und konnte doch nicht meine Probleme loesen. Stattdessen habe ich Geld ausgegeben und eine nicht funktionierende Airport Express Station und eine externe Festplatte gekauft. Ob die Festplatte funktioniert, weiss ich noch nicht. Jedenfalls war sie zu teuer.

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Samstag, November 08, 2008

Hilfe!!

jemand anderes benutzt ploetzlich meine Email Adresse fuer Viagra Spam und hat offensichtlich auch sonst noch einige Passwoerter von mir. So wurden saemtliche Daten von meinen Chiloo Projekten geloescht. Da ich die Auswirkungen im Moment noch nicht so richtig einschaetzen kann, wollte ich erstmal hier eine Warnung an alle Freunde und Bekannte hinterlassen: Vorsicht mit meinen Mails!!!

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Freitag, November 07, 2008

Die Tanzrepublik

Mal wieder leiden wir unter dem schlechten Wetter. Seit fast zwei Wochen ununterbrochen Regenwetter, davon die meiste Zeit Dauerregen. Die viel zu hohe Luftfeuchtigkeit, die relative Dunkelheit auch am Tag und das staendige Geprassel der Regentropfen beginnen die allgemeine Stimmung zu beeintraechtigen.

(dieses Foto habe ich im Stau auf der Autobahn von XinQiao nach Shanghai gemacht. Eine Strecke, die ich fast taeglich fahre.)


Die Menschen wirken bedrueckt. Nur bei uns im Ballett ist das anders. Wir kommen zwar nass und genervt vom Verkehrsstau und fast Zusammenstoessen in das Studio, doch dann trainieren wir mit guter Musik und viel Freude. Und je mehr wir schwitzen, desto besser wird die Stimmung. Am Ende des 90 minutigen Trainings sind normalerweise alle gutgelaunt. Ballett ist ein Sport mit hohen Anforderungen an die Koerperbeherrschung und Koordinationsfaehigkeit. Es ist sehr aehnlich wie ein Musikinstrument zu erlernen, aber mehr grossmotorisch. Was beim Instrument die Haende sind, sind hier die Beine und Fuesse.

Jede Woche trainiere ich etwa 3-4 mal Ballett. Angefangen habe ich in dem Ballett Raum unseres ehemaligen Wohnviertels, mit einem alten Tanzlehrer von der chinesischen Oper, der sich mit Privatunterricht seine Rente aufbessern muss. Danach habe ich etwa zwei Jahre an der chinesischen Oper gelernt und als diese letztes Jahr ihren Unterricht eingestellt hat, hat eine meiner Mitstudentinnen selber eine Ballett Schule gegruendet und den Lehrern und Studenten der chinesischen Oper eine neue Trainings Moeglichkeit gegeben.

Diese ehemalige Mitstudentin, die jetzt Chef ihrer selbstgegruendeten Privatschule ist,
hat uns allen sehr geholfen. Sie ist das Risiko eingegangen und hat auf eigene Kosten einen grossen Raum fachgerecht renoviert. Weil sie selber leidenschaftlich tanzt, weiss sie worauf es ankommt. So hat sie am Umkleideraum und WC gespart, um moeglichst viel Platz zum Tanzen zu haben. Die Lehrer sind alle Profis bzw. Exprofis und wer (als Student) ein Jahr im voraus bezahlt, kann taeglich fuer wenig Geld nach Herzenslust alle Trainingsangebote in Anspruch nehmen. Nur schade, dass diese wichtige Stelle weit weg ist von dem Ort, wo ich wohne. Ich verbringe viele Stunden in U-Bahn und Bussen und das meistens ohne Sitzplatz und dichtgedraengt mit vielen Menschen.

In China ist Ballett Training als Sport unter Erwachsenen nicht besonders populaer. Wir sind nur eine kleine Gruppe Tanzbegeisteter und mit einigen Mitstudenten bin ich nun schon mehrere Jahre zusammen. So verdient Yu Hong nicht viel mit uns. Trotzdem will sie die Tanzrepublik weiterhin als Ballett Studio erhalten und sich nicht mit anderen Tanzarten verzetteln und trotzdem zahlt sie den Lehrern ein weitaus besseres Honorar als es die chinesische Oper getan hat. Nur leider reicht es noch nicht fuer die Alters- und Sozialversicherung der Lehrer. Doch da ist sie optimistisch. Sobald die Schule besser laeuft, will sie auch dieses Problem loesen.

(hier seht ihr Yu Hong, die Frau, die die Tanzrepublik gegruendet hat.)

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Donnerstag, November 06, 2008

Die Ballettlehrerin Xiao Gao



Eine meiner wichtigsten Ballett Lehrerinnen ist Xiao Gao. Sie unterrichtet uns sehr engagiert und gibt die Hoffnung nicht auf, auch wenn es ja schon auf Grund des Alters eigentlich unmoeglich ist, dass z.B. Leute wie ich jemals den hohen Anforderungen von Frau Gao genuegen koennen.

Xiao Gao ist nicht etwa – wie es zu erwarten waere – fruehzeitig von ihren Eltern zum Ballett Unterricht geschickt worden, sondern hat selber erst mit elf Jahren durch eine Fernsehsendung ueber Ballett ihre Lust zum Tanzen erfahren. Sie war so begeistert, dass ihre Eltern sie schliesslich auf einer oertlichen Kunstschule angemeldet haben. Doch Xiao Gao kommt aus Chongqing in Sizhuan und dort gab es zu dieser Zeit noch kaum Ballett Unterricht. Deswegen lernte sie zuerst chinesischen Volkstanz. Sie war sehr eifrig und schaffte schon nach einem Jahr die Aufnahmepruefung auf die Ballettschule in Peking. Doch Peking ist weit weg von Sizhuan und Xiao Gao`s Eltern sind normale Arbeiter. Ihr Vater brachte sie nach Peking und musste dann nach einer Woche zurueck nach Sizhuan. Seine Tochter blieb alleine auf der Schule in der fremden Stadt.

Xiao Gao litt furchtbar unter Heimweh, hat einen Monat lang fast pausenlos geweint und im zweiten Monat weinte sie auch noch viel, so dass ihre Mitschueler sie als “Wecker” bezeichneten, da sie nachts immer im Schlafsaal mit ihrem Weinen die anderen Schueler aufgeweckt hat. Im dritten Monat gab es dann die in China an Schulen und Universitaeten obligatorische Gesundheitsuntersuchung und weil Xiao Gao vom vielen Weinen, dem fremden Essen und dem fuer sie ungewoehnlichen Wetter geschwaecht war, hat man sie mit Verdacht auf Hepatitis im Krankenhaus isoliert. Grundlos wie die Aerzte leider erst nach zwei Monaten merkten. Als Xiao Gao endlich wieder zur Schule durfte, waren ihre Klassenkameraden bereits weit fortgeschritten und hatten viel gelernt. Sie musste nun den verpassten Stoff nachholen. Zudem war sie im Krankenhaus dick geworden und die Lehrer verpassten ihr deswegen eine schreckliche Abmagerungskur. Die Ausbildung zur Taenzerin dauert in China sieben Jahre. Obwohl sie sich zweimal am Fuss und einmal an der Wirbelsaeule verletzte, schaffte sie puenktlich ihre Abschlusspruefung und wurde gleich als Ballett Taenzerin im Shanghaier Ballett aufgenommen. Mit dem Shanghaier Ballett ging sie eine zeitlang auf Tournee bis es dann direkt zu dem Zeitpunkt, als man sie fuer eine Hauptrolle vorgeschlagen hatte, leider wieder eine Verletzung gab. Zwei Sehnen im rechten Fuss waren gerissen und mussten – ohne operiert zu werden! – langsam zusammenwachsen. Waehrend dieser Zeit ging der alte Ballettmeister Ling Yangyang in Rente und die neue Ballettmeisterin Xing Lili mochte Xiao Gao nicht besonders. Wer aber Karriere machen will, braucht vorallem auch Gelegenheit seine Faehigkeiten zeigen zu koennen. Ling Yangyang mochte Xiao Gao und hat sie immer vorne und als Leader tanzen lassen, waehrend die neue Ballettmeisterin andere Taenzerinnen bevorzugte. Die unglaublichen Schmerzen bei dem Neueinstieg nach der Verletzung kombiniert mit der unfreundlichen neuen Ballettmeisterin haben bewirkt, dass Xiao Gao keine Freude mehr bei der Arbeit spuerte. Deswegen hat sie eines Tages um ihre Entlassung gebeten. Inzwischen ist sie eine ausgezeichnete, sehr beliebte, charismatische Lehrerin und eine moderne, weltoffene, junge Frau. Sie ist ein Mensch, der den Mut hat, auf ihre eigenen Gefuehle zu hoeren.
Weil Xiao Gao das Shanghaier Ballett vorzeitig verlassen hat, bekommt sie keine Rente und ist ueberhaupt nicht sozial abgesichert. Auch die Arbeit an der Ballett Schule ist ohne soziale Absicherung.

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Mittwoch, November 05, 2008

auch die Chinesen moegen Obama

Zumindest die Chinesen, die ich kenne und die ich heute nach ihrer Meinung gefragt habe, freuen sich alle, dass die Amerikaner Obama zum Praesidenten gewaehlt haben. Der Wechsel in Amerika ist gut fuer die ganze Welt, auch wenn man hier eher skeptisch ist, ob ein Mann es schaffen kann, eine jahrelange, festgefahrene Politik wirklich positiv zu veraendern. Es ist auf jedenfall ein Riesenfortschritt, dass ein afrikanischer Amerikaner in Amerika Praesident werden kann und wer weiss: wenn die Afrikaner das schaffen, vielleicht gibt es ja dann auch mal einen chinesischen, amerikanischen Praesidenten?

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Montag, November 03, 2008

Die Lieder meiner Haushaelterin

Meine Ai hat eine wunderbare, kraeftige Stimme und kann sehr schoen ihre chinesischen Volkslieder singen. Sie freut sich, dass mir ihre Lieder gefallen und ist auch bereit fuer mich die Lieder aufzunehmen. Sie hat mir erlaubt, dieses Lied hier im Internet zu veroeffentlichen, um meinen deutschen Freunden die chinesische Volksmusik naeher zu bringen.

Meine Ai ist auf einer Teefarm in Anhui geboren. Sie ist jetzt etwa 55 Jahre alt. Weil ihr Mann vor einigen Jahren einem Betrug zum Opfer gefallen ist, hat die Familie sehr viel Geld verloren. Deswegen ist die Familie nach Shanghai gegangen, um Geld zu verdienen. Morgens frueh hilft meine Ai ihrem Mann ein kleines Fruehstuecksrestaurant zu betreiben. Es handelt sich aber dabei nicht um ein richtiges Restaurant, sondern um einen Mini - Raum indem gekocht und dann das Essen durchs Fenster an die Kunden verkauft wird. Nach dem Fruehstueck ruht sich meine Ai etwas aus, dann geht sie zum Markt und kauft fuer mich ein, um elf Uhr vormittags beginnt sie dann bei uns. Kein leichtes Leben. Speziell wenn es soviel regent, hat meine Ai Schwierigkeiten. Die Betten und Kleider in ihrer Wohnung fangen an zu schimmeln und es gibt nirgends einen Platz, an dem sie mal alles trocknen koennte. Dieses Wochenende kamen Diebe und haben meiner Ai waehrend sie auf der Toilette sass, ihr Handy und ein paar andere Sachen gestohlen. Gerade in den aermeren Vierteln wird gestohlen, denn dort haben die Menschen fast keine Moeglichkeit ihr Hab und Gut ausreichend abzusichern. So hebt meine Ai schon lange ihre Wertsachen in unserer Wohnung auf.

Als Kind durfte meine Ai an der Schule in einer Theatergruppe mitspielen, was sie tief gepraegt hat und was sie mir als ihre schoenste Kindheits Erinnerung schildert. Ich bin mir sicher, sie haette das Talent gehabt eine gute Schauspielerin zu werden, doch leider waren die Umstaende unguenstig und anstatt zu lernen und sich selbst zu verwirklichen, musste sie schon frueh die Schule verlassen um Geld zu verdienen. Immerhin durfte sie eine Ausbildung zur Schneiderin machen. Meine Ai redet zur Zeit oft sehr traurige Gedanken zu mir und ich mache mir Sorgen um sie. Sie hat mir gesagt, dass sie nur noch darauf wartet endlich sterben zu duerfen und dass sie in ihrem Leben immer nur versagt und verloren hat. Sie ist eine ausgezeichnete Haushaelterin und ein liebenswerter, interessanter Mensch. Als meine Ai mir gesagt hat, dass sie sterben moechte, habe ich sie geschimpft und ihr gesagt, dass ich fuer Menschen, die sowas sagen, keinerlei Mitleid habe, weil ich finde, dass jeder fuer sich selbst verantwortlich ist. Wer handelt, muss nicht verzweifeln. Doch natuerlich bin ich zutiefst beunruhigt. Ihre derartigen Aeusserungen sind nicht so neu. Inzwischen ist etwa ein Monat vergangen und gluecklicherweise lebt sie immer noch. Vielleicht kann ich ihre wunderschoenen Lieder aufnehmen und damit eine CD machen. Die koennte sie dann verkaufen. Das wuerde nicht nur ihre finanzielle Situation verbessern, sondern ganz sicher auch ihr Selbstwertgefuehl.

Hier ist erstmal eine kostenlose Gehoerprobe: Minge.MP3

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Samstag, November 01, 2008

Das politische System in China/Nachtrag und Erklaerung zum Thema Komitee



Wer mehr ueber das politisch-administrative System der Volksrepublik China erfahren moechte kann sich den Artikel von Sebastian Heilmann anschauen, von dem auch die obige Skizze stammt. Einen anderen interessanten Artikel gibt es von Marc Siemons in der FAZ: Die neue Aufteilung der Welt

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Konflikte in unserem Wohnviertel

In den naechsten zwei Wochen werden die Mitglieder unseres politischen Komitees neugewaehlt. Ob ich wieder dabei sein werde, ist noch nicht sicher. Das letzte Komitee wurde von den Einwohnern gezwungen zurueck zu treten, da wir zu wenig auf die Meinung der Mehrheit in der Bevoelkerung gehoert haben….peinlich, peinlich..

Politik in China beginnt genau dort, wo ich jetzt bin bezw war: in den Komitees der einzelnen Wohnviertel. Bei uns konkret: 240 Familien koennen etwa 11 Abgeordnete waehlen, die dann ehrenamtlich politisch arbeiten. Diese ehrenamtlichen Abgeordneten haben Wahlrecht fuer die naechsthoehere Stadtteilregierung. Wer also in dem Komitee arbeitet, kann die Stadtteilregierung waehlen und kann (soviel ich weiss) sich auch selbst zur Wahl in die Stadtteilregierung aufstellen lassen. So geht das von einer Instanz zur naechsten: Die Stadtteilregierungen waehlen wahrscheinlich die Stadtregierungen und koennen sich auch in die Stadtregierung waehlen lassen usw…

Unser Komitee hat versagt, deswegen durften wir die dreijaehrige “Legislaturperiode” nicht zu Ende machen. Warum das alles so passiert ist, darueber koennte ich einen ganzen Blog schreiben – in einem Artikel jedenfalls ist das schwer zu erklaeren. Angefangen hat es damit, dass einige Leute in dem Komitee einen persoenlichen Hass auf das Management unseres Wohnviertels hatten und entsprechend eifrig daran gearbeitet haben dieses Management zu mobben und schliesslich auszuwechseln. Doch die Mehrheit der Einwohner war damit nicht einverstanden und hat uns gestoppt. Gluecklicherweise!! Ich war naemlich auch oft nicht zufrieden, aber mit meinen Ansichten fast immer in der Minderheit. Diese Minderheit wurde auch immer kleiner, da mehrere Abgeordnete den Druck der “Maechtigen” nicht mehr ausgehalten haben und zurueckgetreten sind. Die Chinesen hassen offene Auseinandersetzungen noch mehr als wir und gehen dann oft den einfachen Weg. So nach dem Motto: Zur Rettung der guten Nachbarschaft halte ich mich da raus…Als gewaehlter Abgeordneter ist so eine Reaktion natuerlich extrem kontraproduktiv. Nachdem von den urspruenglich 11 Mitgliedern fuenf zurueckgetreten waren, blieben noch sechs Leute uebrig, darunter ich. Den Rest erspare ich mir heute zu erzaehlen.

Viele Probleme werden von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich bearbeitet und geloest. So ist es nicht richtig, politische Details in China zu verallgemeinern. Ein kleines Beispiel: Ruhestoerung. In vielen Wohnvierteln wird dieses Problem ueberhaupt nicht ernst genommen, aber es gibt auch Viertel, in denen strenge Regeln aufgestellt werden, wann man wie laut arbeiten darf. In unserem “Dorf” ist es zum Beispiel verboten am Wochenende ganztags und unter der Woche abends nach sechs und morgens vor acht laute Arbeiten zu verrichten. Wobei diese Regelung in Shanghai nicht populaer ist und von der einheimischen Bevoelkerung nach Moeglichkeit ignoriert wird. In unserem Compound leben aber viele Pekinger und Taiwanesen, denen die Ruhezeiten wichtig sind. So versucht das Management diese Ruhezeiten durchzusetzen.Leider nicht immer erfolgreich. Seit einigen Jahren wird dieses Management nicht mehr von der Regierung bestimmt, sondern die Einwohner koennen selber professionelle “Managementfirmen” bezahlen, die dann nach den Beschluessen des politischen Komitees handeln und verwalten muessen. Unser Management ist das urspruengliche Management der taiwanesischen Hausbau-Firma. Obwohl dieses Management meiner Meinung nach gute Arbeit leistet, sind die Anforderungen der hiesigen Einwohner enorm und auch die Angst sich mit einem Vertrag langfristig an diese Firma zu binden. Doch ohne einen festen Vertrag bekommt das politische Komitee nicht die Erlaubniss, das auf der Bank fuer Reperaturen und Verbesserungen angesammelte Geld zu verwenden. Wie aber muss nun so ein Vertrag aussehen? Und gibt es nicht vielleicht doch eine noch bessere Firma? Derartige Fragen haben uns in dem Komitee naechtelange Diskussionen beschert.

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