Im Majestic Theater
In Shanghai stellten in letzten Tagen junge Profis und Studenten verschiedener chinesischer (vor allem Shanghaier) Tanzakademien und Tanzgruppen ihre neuen Stuecke vor. Leider konnte ich nicht zu allen Auffuehrungen gehen, aber gestern Abend bin ich mit ein paar Freunden in eine Vorstellung gegangen. Es wurden elf verschiedene Stuecke gezeigt. Unter anderem gab es chinesischen Volkstanz, chinesischen klassischen Tanz, chinesischen Modern Tanz, klassisches Ballett und Moderntanz. Mich haben vor allem die chinesischen sogenannten Volkstanz Auffuehrungen begeistert. Es ist so, dass mir nicht nur die chinesische Musik immer besser gefaellt, sondern dass mich auch das Koennen, die Musikalitaet und die unglaubliche Akrobatik der Volkstaenzer faszinieren. Haette ich frueher gewusst, wie fantastisch und lebendig diese chinesischen Taenze sind, haette ich mich sicher statt fuer Ballett fuer chinesischen Tanz entschieden. Nun bin ich dafuer sicherlich schon zu alt, denn diese Akrobatik ist ja noch schwieriger zu erlernen als Ballett!
Unser Theaterbesuch war also hochinteressant und zusaetzlich zu diesen wunderschoenen Tanzvorfuehrungen hatten wir auch im Publikum einige witzige Erlebnisse. Das fing schon damit an, dass unsere Plaetze sehr weit hinten waren und wir versucht haben, uns heimlich weiter nach vorne zu setzen. Wir waren aber eine Vierergruppe und wollten nicht nur vorne, sondern auch moeglichst nebeneinander die Vorstellung geniessen. In der letzten Minute vor Beginn der Show zogen wir als Pulg mit Taschen und Getraenken um, wobei ich aber sehr unzufrieden mit dem neuen Platz war, denn vor mir sass ein langer Schlacks. Also verliess ich meine Gruppe und setzte mich neben diesen langen Hals. Das erste Stueck war noch nicht vorbei, als dieser Mann mit seinen Freunden von den urspruenglichen Platzbesitzern vertrieben wurde. „Aetsch, du sitzt also auch auf einem falschen Platz“ dachte ich und blieb gelassen auf meinem eigenen gestohlenen Sitz, streckte die Beine genuesslich aus und beobachtete wie die Trinkflasche meiner neuen Nachbarin vom Stuhl herunterfiel und unter den vorderen Sitzreihen verschwand. Meiner neuen Nachbarin war das aber gar nicht recht und sie begann sehr aufwendig mit einer Taschenlampe diese Trinkflasche zu suchen. Ich bot ihr mein Wasser an in der Hoffnung, dass sie dann diese nervige Suche einstellen wuerde, aber sie liess sich nicht abbringen. „In meiner Flasche ist kein Wasser, sondern Milch“ erklaerte sie mir entschuldigend. Doch ihre Flasche blieb verschwunden und schliesslich begann sie sich mit ihrer Freundin ueber ein anderes Thema zu unterhalten, waehrend ihr kleines Kind versuchte sich auf die Sitzlehne des Vordermannes zu setzen, was der mit einem wuetenden Schnauben kommentierte. Inzwischen waren wir bereits bei Tanz Nummer vier und die Musik in den Lautsprechern wurde so laut, dass sich meine Nachbarinnen nur noch schreiend verstaendigen konnten. Deswegen merkte ich nicht gleich, dass jemand versuchte mich von meinem Platz zu vertreiben. Die beiden Chinesinnen, die sich als rechtmaessige Besitzer meiner beiden Sitze entpuppten, trauten sich nicht so recht mich anzusprechen. „Oh, die ist eine Auslaenderin, was machen wir bloss...“ sagten sie zueinander und gingen auf Suche nach anderen freien Plaetzen. Bei Stueck Nummer sechs kamen sie leider erfolglos und mit einer Platzzuweiserin zurueck, um mich nun entgueltig zu verjagen. In dieser brenzligen Situation erwies es sich als schicksalhaft guenstig, dass ich meiner anderen Nachbarinn vorher mein Wasser angeboten hatte. Denn diese half mir nun sehr freundlich aus der Patsche, indem sie mir den Platz ihres Kindes ueberliess. Das Kind sass ja sowieso nicht, sondern stand oder hockte auf den Armlehnen, denn es war noch klein und wollte auch was sehen.
So verflog die Zeit und ich begann mit meiner Nachbarin Kommentare ueber die Vorstellungen auszutauschen. Wir verstanden uns richtig gut.
Hinter mir sassen meine Freunde. Einer meiner Freunde ist ein ehemaliger Taenzer der Shanghaier chinesischen Oper und jubelte jedes Mal , wenn Leute aus seiner ehemaligen Truppe auftraten.
Nach dem Theater gingen wir noch Sangerias trinken. Wir unterhielten uns bis nach Mitternacht und auf der etwa einstuendigen Taxifahrt nach Hause bin ich tief eingeschlafen. Gluecklicherweise war diesmal mein Taxifahrer ortskundig und brachte mich ohne groessere Umwege zurueck.
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